Essstörungen und Sport

Essstörungen und Sport

Es gibt zahlreiche Beziehungen zwischen Essstörungen und Sport

Bekanntermaßen gehen bestimmte Sportarten, bei denen das Einhalten einer Gewichtsgrenze notwendig ist, mit einem erhöhten Risiko für die Ausbildung von Essstörungen einher. Aber auch die Ausbildung von Körperbildstörungen, die ein wesentliches Merkmal der Essstörungen sind, wird durch bestimmte Sportarten gefördert (wenngleich Sport insgesamt einen positiven Effekt auf das Körperbild und Körpergefühl hat). Als Spezialformen dieser Körperbildstörungen können körperdysmorphe Störungen auftreten, etwa wenn der eigene Körper als verunstaltet angesehen wird, weil er zu wenig muskulös ist. Im Folgenden sollten diese Beziehungen zwischen der Ausübung von Sport (vor allem bestimmter Sportarten) und der Entwicklung psychischer Störungen, vor allem von Essstörungen, näher betrachtet werden. Als Professor und Leiter der Psychologie an der Universität Düsseldorf, liegt mir dieses Thema besonders am Herzen. 

Körpergewicht und Essstörungen bei Sportlern

Es werden drei Essstörungen bei Sportlern unterschieden:

Esstörungen

  1. Anorexia nervosa, die Magersucht
  2.  Bulimia nervosa, die Ess-Brech-Sucht
  3. Binge-Eating-Störung, bei der auch Essanfälle bestehen, es aber nicht, wie bei der Bulimia nervosa zu Erbrechen oder anderen einer Gewichtszunahme entgegen wirkenden Maßnahmen kommt.

Auswirkungen dieser Essstörungen bei Sportlern:

Die Anorexia nervosa geht mit Untergewicht, die Bulimia nervosa gemeinhin mit Normalgewicht und die Binge-Eating Störung meistens mit Übergewicht einher. Vor allem die Anorexia nervosa und die Bulimia nervosa spielen im Zusammenhang mit Sport eine wichtige Rolle, weil beide Krankheitsbilder sowohl dazu führen können, dass exzessiv Sport getrieben wird, wie auch die Ausübung bestimmter Sportarten zur Entwicklung dieser Störungen führen kann. Letzteres ist vor allem und fast ausschließlich der Fall, bei Sportarten, die ein bestimmtes Maximalgewicht erfordern oder die Einteilung in bestimmte Gewichtsklassen erfolgt, wie etwa beim Skispringen, Tanzen, Rudern oder Reiten.

In aller Regel sind die Sportler bestrebt, in der jeweiligen Gewichtsklasse im oberen Bereich zu liegen

So erzielen Sie einen maximalen Muskelanteil bei einem zulässigem Gesamtgewicht. Dies erfordert aber immer die akkurate und gewissenhafte Kontrolle, die Gewichtsgrenze nicht zu überschreiten. Daraus folgt zum einen eine ständige Kontrolle des Gewichts und des Anteils an Körperfett, -flüssigkeit und -muskulatur, um gegebenenfalls kurzfristig das Gewicht über Dehydrierung zu reduzieren. Zum anderen führt dies zu einer kontrollierte Nahrungsaufnahme (gezügeltes Essverhalten, restrained eating), die in aller Regel dadurch bestimmt ist, dass sowohl die Menge und Qualität der aufgenommen Nahrung sehr bewusst ausgewählt wird und ein gutes Wissen über die Energiedichte und Mikro- und Makrobestandteile der Nahrung besteht, wie auch eine selbstgesetzte Diätgrenze, bis zu der gegessen wird.

Fressattacke am Kühlschrank

Was letztlich darin resultiert, dass meistens nicht bis zur biologischen Sattheit gegessen wird, sondern nur bis zum Erreichen dieser Diätgrenze und damit ein permanenter Hungerzustand bestehen bleibt, der mit einem deutlich erhöhten Risiko für Heißhungerattacken einhergeht.

Welche Sportarten sind besonders gefährdet?

Mehrere Studien haben gezeigt, dass das Betreiben einer Sportart, die das Einhalten von Gewichtsklassen erfordert, mit einem deutlich erhöhten Risiko für die Entwicklung eines solchen gezügelten Essverhaltens einhergeht. Dies konnte beispielsweise für Ruderer gezeigt werden und für Läufer. Je stärker der Leistungsdruck, ein bestimmtes Körpergewicht zu erreichen und nicht zu überschreiten und je länger diese Sportart betrieben wird, desto ausgeprägter ist das gezügelte Essverhalten, welches als bekanntermaßen als ein Risikofaktor für die Entwicklung einer Bulimia nervosa gilt.

Ruderteam

So hatten etwa professionelle Ruderer in Leichtgewichtsklassen einen Wert für das gezügelte Essverhalten, der fünf Mal so hoch war, wie der von Ruderern in Schwergewichtsklassen. Die Zunahme dieses Risikofaktors für Essstörungen war mit der Dauer, mit der das Rudern betrieben wurde deutlich verknüpft.

Welches Unterschied gibt es mit zunehmendem Alter?

So hatten Kinder, die im Kader für die deutsche Nationalmannschaft ruderten, noch keine Auffälligkeit im gezügelten Essen. Jugendliche, die dann bereits in Gewichtsklassen, wiesen schon erhöhte Werte auf, wenn sie in der Leichtgewichtsklasse ruderten, aber das Ausmaß dieses erhöhten gezügelten Essverhaltens war bei weitem noch nicht so ausgeprägt wie bei erwachsenen Leichtgewichtsruderern, die demzufolge schon viele Jahre ihr Essverhalten kontrollierten. Es sei hier nur am Rande angemerkt, dass es auch Todesfälle aufgrund von Essstörungen bei professionellen Ruderern gab.

Wie eingangs erwähnt, kann auch das Vorhandensein einer Essstörung zu besonderen sportlichen Leistungen führen

Ein markantes Beispiel dafür ist die so genannte „Anorexia athletica“, was keine eigene Essstörung darstellt, aber zum Ausdruck bringen soll, dass bei bestimmen Personen mit Magersucht, das Sporttreiben exzessiv betrieben wird (um an Gewicht zu verlieren oder nicht zuzunehmen), so dass man quasi von einer „sportlichen Variante“ der Magersucht sprechen kann. Dieses Phänomen ist relativ häufig anzutreffen und viele Patienten mit einer Anorexia nervosa weisen exzessives Sporttreiben, vor allem Ausdauersport, der mit einer besonders hohen Energieverbrennung verbrunden ist, auf. Hier wird Sport funktionell eingesetzt, um eine Erkrankung, die letztendlich tödlich verlaufen kann, zu unterstützen; und das Sporttreiben dient nur vordergründig der sportlichen Betätigung, in Wahrheit aber der Optimierung eines herbeigesehnten Gewichtsverlusts aufgrund der Magersucht.

Interessant ist auch der Blogartikel; Ernährungsverhalten- Wenn essen krank macht von Dr. Romina Müller